Statistisches Bundesamt: Nach der aktuellen Schätzung kamen 2022 bis zu 1,45 Millionen Menschen mehr nach Deutschland, als ins Ausland fortzogen. Statistiken darüber, wie viele Fachkräfte fortzogen, gibt es leider nicht. Bei den Zuwanderern tendiert die Fachkräftequote offensichtlich gegen Null.
Deutschland hatte zum Jahresende 2022 nach einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) mindestens 84,3 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Damit lebten hierzulande so viele Menschen wie noch nie am Ende eines Jahres. Gegenüber dem Jahresende 2021 nahm die Bevölkerungszahl um 1,1 Millionen Personen zu. Die Ursache dieses starken Wachstums war eine Nettozuwanderung (positiver Saldo aus Zu- und Fortzügen) auf Rekordniveau.
Börsen-Zeitung: "Nicht nur meckern, machen" Kommentar zur Fachkräftelücke von Anna Steiner
Der Fachkräftemangel ist in Deutschland längst eines der drängendsten Probleme. Zigtausende Software-Experten fehlen, Zehntausende Erzieher. Aber auch Metallarbeiter und Helfer in allen möglichen Berufen sind knapp. Das Gejammer der Unternehmen ist riesig: Wir finden keine Mitarbeiter. Die Forderung an die Politik ist laut: Fördert die Ausbildung, stärkt die Zuwanderung! Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat das Problem auf dem Schirm: Die Ausbildungsgarantie und die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sind nur zwei Beispiele dafür. Und das ist richtig so.
Dass nach wie vor in vielen Berufen die Bedingungen so unterirdisch sind, dass man keinem Schulabgänger übelnehmen kann, wenn er sich für einen anderen Weg entscheidet, das ist nicht richtig. Dass fast jeder zweite Job nicht einmal wenigstens nach einem Tarifvertrag bezahlt wird, ist nicht richtig. Und dass Auszubildende und Berufseinsteiger an Wochenenden jobben gehen müssen, um überhaupt die Miete bezahlen zu können, erst recht nicht. Das aber ist nicht Aufgabe der Politik, sondern der Unternehmen.
Kreative Lösungen müssen her - und kostenlos werden diese nicht sein. Ein Jobticket in Zeiten von 9-Euro- und 49-Euro-Ticket wird niemanden locken. Auch ein Dienstwagen ist nicht mehr so gefragt wie noch vor einigen Jahren. Mit Urlaubstagen lässt sich vielleicht schon etwas erreichen. Die Arbeitszeiten müssen stimmen und wenn sie es - betriebsbedingt - nicht können, dann müssen sie entlohnt werden. Der Altenpfleger, der Nachtschicht im Seniorenheim schiebt, muss ebenso wertgeschätzt werden wie der Industriemechaniker, der am Wochenende dafür sorgt, dass eine Produktion durchlaufen kann. Das wohl Wichtigste beim Kampf um junge Talente - gerade angesichts der hohen Lebenshaltungskosten - sind nun einmal anständige Löhne.
Wer heute noch argumentiert, dass ein Manager ja auch eine große Verantwortung trage für die Mitarbeiter, der hat noch nicht verstanden, wo Millionen Väter und Mütter morgens ihre Kinder hinbringen, damit sie selbst arbeiten kommen können. Wird die Kinderbetreuung ausgebaut und werden die Erzieher anständig bezahlt - denn nur dann werden sich mehr Menschen für diesen Job entscheiden -, kann endlich eines der größten schlummernden Potenziale in Deutschland gehoben werden: die Beschäftigung von Müttern und Vätern. Wer an die Marktwirtschaft glaubt, der weiß, dass der Markt vieles regelt. Vielleicht kann er nicht die gesamte Lücke schließen, aber wer die besten Löhne zahlt und die besten Bedingungen bietet, wird weniger Probleme bei der Nachwuchssuche haben.