US-Ökonom: „Sanktionen gegen Russlands Zugang zur US-Währung ebnen den Weg für den Aufstieg des Yuan.“- „Diese Bewegungen signalisieren den Anfang vom Ende des Petrodollar-Monopols.“
von Thorsten Gittel
2016 hat Jason Hsu „Rayliant Global Advisors“ gegründet. Inzwischen verwaltet seine Firma, deren Chief Investment Officer (CIO) er ist, 16 Milliarden Dollar direkt und er berät andere Asset-Manager mit zusammen 148 Milliarden Dollar. Offenbar verschlingt die Tätigkeit nicht all seine Zeit, denn daneben ist er auch noch Finanzprofessor an der UCLA Anderson School of Management in Los Angeles. UCLA steht für University of California.
Außer Los Angeles ist Rayliant mit dem Hauptquartier in Hongkong und an vier weiteren Standorten präsent, neben London in Asien in Taipeh mit einem gewissen Schwerpunkt in China (Peking und Hangzhou). Kein Wunder, dass sich der Professor auch über die chinesische Währung Gedanken macht. In einem Meinungsartikel im US-Anlegerblatt Barron’s macht er auf die Perspektiven des Yuan aufmerksam: „Seit den frühen Tagen der russischen Invasion in der Ukraine war klar, dass die Entscheidung, den US-Dollar als Waffe einzusetzen, Konsequenzen haben würde. Sanktionen gegen Russlands Zugang zur US-Währung ebnen den Weg für den Aufstieg des Yuan.“
Hinter der chinesischen Finanzpolitik sieht er weltweite Ambitionen am Werk: „Mehr als alles andere möchte Xi der große Führer sein, der China zu einer globalen Macht macht, die mit den USA konkurrieren kann. Wenn der Yuan zu einer wichtigen globalen Clearing- und Reservewährung wird, wird dies für das chinesische Volk ein Beweis dafür sein, dass China angekommen ist.“ Und personifiziert diese Absichten stark in der Figur des fast allmächtigen Präsidenten Xi Jinping: „Xi wollte den Einfluss des Yuan schon lange ausweiten. Aber um erfolgreich zu sein, brauchte er die Zusammenarbeit mit anderen Weltmächten. Bis vor kurzem gab es wenig Grund für Regierungen, außerhalb des vertrauenswürdigen und verlässlichen Dollars zu experimentieren. Sogar US-Feinde und -Hasser benutzten den Dollar widerwillig aus einer Position der Bequemlichkeit oder Trägheit heraus.“
Doch das Einfrieren von Putins Dollarreserven könnte ihnen zu denken geben: „Ereignisse im Zusammenhang mit Russlands Krieg in der Ukraine haben gezeigt, dass der Dollar in Zeiten von Krisen und Konflikten riskant sein könnte – genau dann, wenn eine Reserve am wertvollsten ist.“ Ich kann nicht beurteilen, inwieweit Finanzprofessor Hsu mit seiner Sicht der Dinge im Detail recht hat, aber er sieht diverse außenpolitische Aktivitäten vor dem Hintergrund einer Yuan-Strategie: „Xi sagte auf einer Reise nach Saudi-Arabien im Dezember, dass China anfangen werde, Öl mit chinesischer Währung zu bezahlen. Der saudische Finanzminister sagte, seine Regierung stehe der Idee offen gegenüber.“
Anfang vom Ende des Petrodollar-Monopols
Vor allem kann man sich wohl nicht sicher wie der Anlageprofessor sein, der darin schon einen weitgehenden Scoop sieht: „Diese Bewegungen signalisieren den Anfang vom Ende des Petrodollar-Monopols.“ Und hat schon weitere Partner für ein Yuan-Imperium ausgemacht: „Trotz Faustkämpfen zwischen indischen und chinesischen Soldaten an ihrer umstrittenen Grenze haben mehrere indische Firmen begonnen, den Yuan zum Kauf von Rohstoffen zu verwenden.“
Bei dieser Sicht der Dinge kann es nicht wundern, wie Hsu die weitere Entwicklung einschätzt: „Es kann nicht lange dauern, bis Peking seine Exporteure unter Druck setzt, Zahlungen für Fertigwaren in Yuan zu verlangen.“ Hintergrund: „Der Dollar ist heute die dominierende Verrechnungswährung, gerade weil die USA nach dem Zweiten Weltkrieg die Fabrik der Welt waren und die erschöpften europäischen Verbündeten mit dringend benötigten Industriegütern versorgten. Unnötig zu erwähnen, dass die USA Zahlungen in Dollar forderten.“
So spekuliert Hsu denn weiter: „Wie lange wird es dauern, bis der Yuan eine bedeutendere Rolle spielt? Wer weiß. Auch der Dollar brauchte Jahrzehnte, um aufzusteigen. Aber die Reise der tausend Schritte beginnt mit dem ersten. Die Fußspuren sind bereits im Boden.“ Da liegt wohl noch ein beachtlicher Fußmarsch vor Präsident Xi. Denn derzeit ist der Dollar mit 44 Prozent konstant hoch an den internationalen Devisentransaktionen beteiligt, der Yuan nur an 3,5 Prozent. Der Euro dümpelt mit gut 15 Prozent eher so dahin und leicht abwärts.
Was allerdings nicht heißen soll, dass der Gedankengang des Professors Unsinn sein muss. Denn in der Tat: unter moralischen und taktischen Aspekten erscheint die Blockierung von russischen Konten eine verständliche Reaktion, das Vertrauen der weltweiten (gerade zweifelhaften) Investoren stärkt sie nicht gerade. Das mag sogar bei der Annäherung von China und Saudi-Arabien eine Rolle spielen. Einerseits ist auch das saudische Königshaus mit seiner altmodischen Autokratie und unschönen Gewaltaktionen des inzwischen herrschenden Kronprinzen im Westen nicht unumstritten. Und andererseits müsste Xi bei einem Taiwan-Abenteuer fürchten, dass seine gewaltigen Devisenreserven eingefroren würden. Gemeinsame Ängste verbinden genauso gut wie gemeinsame Interessen.