Wasserstoff ist teuer. "Grüner" Wasserstoff ist noch viel teurer. Importierter "grüner" Wasserstoff ist unerschwinglich. Doch die Regierung will eine Energieversorgung mit "grünem" Wasserstoff durchsetzen. Das ist teures Wunschdenken und beschleunigt Deutschlands Niedergang.
Von Prof. Dr. Ing. Hans-Günter Appel
Wasserstoff soll die Energiewende zur Weltklimarettung ermöglichen. Denn Wasserstoff verbrennt zu CO2-freien Wasserdampf. Nach ideologischen Ansichten von Politikern ist CO2 aus Kohle, Erdöl und Erdgas hauptverantwortlich für eine kritische Erwärmung der Erde. Es bleibt unbeachtet, dass Wasserdampf viel stärker das Klima beeinflusst als CO2. Solche einseitigen Bewertungen bestimmen aber die vorherrschenden Meinungen.
Der Wasserstoff muss nach diesen Vorgaben ohne den Einsatz von fossilen Brennstoffen erzeugt werden. Nachdem alle Kernkraftwerke abgeschaltet wurden, bleibt nur „grüner“ Strom als Energiequelle, also von Wasserkraftwerken, Windgeneratoren und Photovoltaikanlagen. Strom aus Wasserkraft kann, geologisch bedingt, noch nicht einmal 10 % des Bedarfs decken. „Grüner“ Wasserstoff muss mit Fakepower (Wind- und Solarstrom) erzeugt werden. Er soll der Energieträger der Zukunft werden. Wasserstoffkraftwerke sollen das Stromnetz stabil halten und die Vollversorgung übernehmen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Darüber hinaus soll er auch noch die Energieversorgung der Industrie und der Mobilität übernehmen. Dafür reicht die Wind- und Sonnenenergie über Deutschland bei Weitem nicht. Das hat inzwischen sogar die Ampelregierung erkannt und will im großem Stil Wasserstoff importieren.
Stromverluste
Solar- und Windstrom müssen zu Elektrolyse-Anlagen geleitet werden, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegen. Der Wasserstoff wird durch Rohrleitungen in unterirdische Speicher (Kavernen) mit rund 300 bar gedrückt, bei Bedarf wieder ausgelagert und zu Gaskraftwerken geleitet. Für die Elektrolyse wird aufbereitetes Reinstwasser gebraucht. Jeder einzelne Prozess in dieser Kette ist mit Energieverlusten verbunden. Von dem Wind- oder Solarstrom sind noch maximal 25 Prozent bei der Wiederverstromung vorhanden. Die Verluste von mehr als 75 Prozent sind als Abwärme verloren gegangen. Dies sind die Verluste aufgrund physikalischer Gesetze, die nicht beeinflussbar sind.
Hinzu kommen die Energieaufwendungen zum Bau und Betrieb der Wind- und Solarstromanlagen, der Elektrolyse, der Gasleitungen, der Gasspeicher und der Wasserstoffkraftwerke. Das Projekt „Energieversorgung mit grünem Wasserstoff“ entpuppt sich bei genauem Hinsehen als ein Verfahren zur Energievernichtung. Beim Verbraucher kommt nur wenig von der eingesetzten Energie an.
Noch ungünstiger ist es, wenn Wasserstoff in Wüstengebieten aus entsalztem Meerwasser gewonnen und per Schiff importiert wird. Die Energieverluste werden dann größer als der zur Erzeugung von Wasserstoff eingesetzte Solarstrom. Ein Minusgeschäft.
Kosten
Die geschilderten Verfahren führen zu hohen Kosten für die Endenergie, die der Stromverbraucher zahlen muss. Bereits die bis jetzt durchgesetzten Schritte zur Energiewende haben die Stromkosten in Deutschland vervierfacht. Viele Betriebe sind damit nicht mehr wirtschaftlich. Sie müssen aufgeben oder in Länder abwandern, die wirtschaftliche und berechenbare Energiekosten haben. Eine Politik, die „grünen“ Wasserstoff als Grundstein der Energieversorgung für Strom, Wärme, Verkehr und Industrie sieht, ist zum Scheitern verurteilt. Sie treibt Deutschland schnell weiter abwärts in die industrielle Bedeutungslosigkeit.
Verbohrte Ideologen
Doch die Ampelregierung macht trotz großer Finanzierungsschwierigkeiten für die Erneuerung der maroden Infrastruktur, für die wachsenden sozialen Aufgaben und für die Verbesserung der Verteidigungsbereitschaft keine Abstriche von der Energiewende. Im Gegenteil. Die Wende soll beschleunigt werden. Nach wiederholten Angaben von Bundeskanzler Scholz sollen jährlich mehr als 100 Milliarden Euro zur Verdreifachung der Fakepoweranlagen (Wind und Solar) und zum Ausbau der Energie fressenden grünen Wasserstoffwirtschaft fließen. Sachkunde sucht man bei dieser Politik vergebens.
Die Wirtschaft macht in großen Teilen mit, denn Subventionen winken, die das wirtschaftliche Überleben für die nächsten Jahre sichern. Besonders deutlich wird dies bei den Milliarden schweren Subventionen für die deutsche Stahlindustrie, die in Zukunft Stahl ausschließlich mit grünem Wasserstoff erzeugen soll. Der Stahl wird mindestens 10-mal teurer gegenüber der Weltkonkurrenz und wird keinen Absatz finden. Die derzeit wegen der hohen Energiekosten bereits an der Grenze zur Insolvenz arbeitende Stahlindustrie kann mit den Subventionen noch einige Jahre überleben. Doch dann muss sie aufgeben.
Verständnislose Politiker
Die Politik muss endlich zu der Einsicht kommen, Energie ist der Schlüssel zu unserem Wohlstand. Auf dem Weg zum Verbraucher müssen die Energieverluste so weit wie möglich verringert werden. Für die Stromversorgung bedeutet dies: Wir brauchen Kraftwerke mit hohem Wirkungsgrad in Verbrauchernähe, um Leitungsverluste gering zu halten. Strom aus Sonne und Wind ist Fakepower. Der Strom ist nicht regelbar und kann nur in ein von Kraftwerken geregeltes Netz eingespeist werden. Das Einsammeln von Fakepower und der Transport von Nord nach Süd führen zu großen Verlusten. Bei Starkwind und Sonnenschein wird Strom über den Bedarf produziert. Dann werden Anlagen abgeschaltet und der Betreiber erhält eine Ausfallvergütung nach dem EEG, oder der Strom muss kostenpflichtig entsorgt werden. Beides sind große Stromverluste, die den Strompreis in die Höhe treiben.
Nach diesen Kriterien sind optimal Kohlekraftwerke in Verbrauchernähe. Dies hat China längst verstanden und weitet seine Kohlekraftwerkskapazität schnell weiter aus. Chinas Wirtschaftskraft steigt damit ständig, während Deutschland mit dem Schließen von Kohlekraftwerken die Basis seiner Wirtschaft zerstört. Wir brauchen Politiker, die das kapieren. Indien hat sich der Entwicklung in China angeschlossen und erhöht kurzfristig seine Kohlekraftwerkskapazität um über 30 GW, was ungefähr der heute noch in Deutschland verfügbaren entspricht.