Der Wirtschaftsweise Martin Werding hat vor den Folgen steigender Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung gewarnt. Die Sozialabgaben "überschreiten demnächst ihren historischen Höchststand von 42,5 Prozent aus dem Jahr 2005", sagte er "Politico" mit Blick auf die am Montag beginnende Sitzung des Schätzerkreises, aus deren Prognose für die Finanzentwicklung der Krankenversicherung (GKV) sich der nötige durchschnittliche Zusatzbeitrag für 2025 ergibt.
Kassen rechnen mit einem nie dagewesenen Sprung zwischen 0,7 und einem Prozentpunkt. Auch die Pflegeversicherung dürfte sich 2025 stark verteuern. "Ein Ende dieses Anstiegs ist unter dem geltenden Recht für lange Zeit nicht in Sicht", warnte Werding, der 2022 auf Vorschlag der Arbeitgeber in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung berufen wurde.
Er nannte als Gründe die demografische Alterung, neue Leistungen sowie strukturelle Probleme und forderte, den "Ausgabenanstieg mittel- bis langfristig zu bremsen." Werding fürchtet, dass sich sonst "stark steigende Beitragssätze auf die Arbeitsmarktentwicklung" durchschlagen, die für die Finanzierung des Sozialsystems eine zentrale Rolle spiele. "Dann könnten Arbeitsmarkt und Sozialfinanzen in eine echte Abwärtsspirale geraten", mahnte er.
BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter nannte die drohenden Beitragserhöhungen "eine Strafsteuer auf Beschäftigung in Deutschland" und übte scharfe Kritik an der Ampel-Koalition. "Karl Lauterbach legt die Hände ambitionslos in den Schoß und lässt zu, dass Arbeit in Deutschland immer teurer und unattraktiver wird", sagte er dem Nachrichtenportal. Ihm fehle der Mut zu Reformen. "Es ist Pflicht der Politik, realistische Lösungen zu finden - damit Schluss ist mit diesem dreisten Netto-Klau." Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) forderte die Bundesregierung zu Reformen auf. Andernfalls werde die Wirtschaft "vollends zum Pflegefall", sagte BVMW-Hauptgeschäftsführer Christoph Ahlhaus zu "Politico".
Foto: Martin Werding (Archiv), über dts Nachrichtenagentur