Isabel Schnabel hat wahrscheinlich noch nie einen Bitcoin besessen und weiß wohl wenig über Kryptowährungen. Doch die "Wirtschaftsweise" warnt vor systemischen Risiken des Bitcoin - nicht aber vor den systemischen Risiken des Geldsystems.
Kurz vor der Einführung offizieller Bitcoin-Finanzmarktprodukte hat die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel vor den potenziellen Risiken der Internetwährung gewarnt.
Wenn sie aus einer Nische in die etablierte Finanzwelt vordringe, berge das besondere Gefahren: "Die Preisentwicklung der Bitcoins erinnert an die großen Blasen der Wirtschaftsgeschichte, zum Beispiel an die Tulpenkrise. Solange die Spekulationen mit Eigenkapital finanziert sind, verlieren die Investoren im Falle eines Crashs zwar viel Geld, die Ansteckungsgefahren dürften aber begrenzt sein", sagte Schnabel der "Welt am Sonntag".
Problematischer werde es, wenn die Vermögenswerte auf Kredit gekauft würden, was bei Bitcoins zunehmend der Fall zu sein scheine. "Dann könnte ein Preisverfall das gesamte Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen", so Schnabel.
Sorge bereitet ihr vor allem, dass der Bitcoin-Markt noch weitgehend unreguliert ist. "Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass es aufgrund von operationellen Risiken, zum Beispiel einem Systemausfall, oder Unregelmäßigkeiten zu einem Crash kommt", sagte die Bonner Wirtschaftswissenschaftlerin, die seit 2014 dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört.
Die Einführung von Futures auf den Bitcoin dürfte die Spekulationen weiter anheizen. "Angesichts der großen Unsicherheit über mögliche Preisschwankungen können sich im Bereich des Clearings erhebliche Gegenparteirisiken aufbauen", sagte Schnabel.
Mit Future-Kontrakten werden Rohstoffe oder Finanzprodukte zu einem vorab festgelegten Preis zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt gehandelt. Dadurch können sich Käufer und Verkäufer gegen Preisschwankungen absichern. Es sind aber auch Spekulationen auf Kursentwicklungen möglich - und damit auch auf einen Wertverfall.
Risiken entstehen dann, wenn eine der beiden Parteien das Geschäft nicht erfüllen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Versprechen nicht eingelöst werden kann, ist umso größer, je stärker der Preis des zugrundeliegenden Produkts schwankt. Wenn ein Termingeschäft platzt, löst das nicht selten einen gefährlichen Dominoeffekt aus.
Wie schwierig es für die Finanzaufsicht ist, solche Gefahren rechtzeitig zu erkennen und einzudämmen, macht der Hype um den Bitcoin besonders deutlich. "Es ist für die Aufsicht kaum möglich, Risiken für die Finanzstabilität immer rechtzeitig zu erkennen.
Denn diese sind ja häufig mit Innovationen im Finanzbereich verbunden, deren Auswirkungen zunächst nur schwer zu verstehen sind", so Schnabel. In dieser Woche hatten sich die Aufseher weltweit auf ein verschärftes Regelwerk für Banken geeinigt.
Basel III soll das Finanzsystem in Zukunft noch sicherer und krisenfester machen. Doch die Bemühungen um mehr Stabilität werden durch die rasante Entwicklung auf den Finanzmärkten, insbesondere durch die Einführung neuer Produkte wie etwa Futures auf den Bitcoin, konterkariert.
Aus Sicht der Wirtschaftsweisen muss eine Reaktion auf dieses Problem bei den Banken als Schaltzentrale des Finanzsystems ansetzen. "Gut kapitalisierte Banken sind generell widerstandsfähiger, auch gegenüber Schocks aus solchen Finanzinnovationen", sagte Schnabel.