Zum 200. Geburtstag von Karl Marx glaubt der französische Ökonom Thomas Piketty an einen absehbaren Zusammenbruch des Kapitalismus.
Zwar habe Marx zu seiner Zeit die Anpassungsmöglichkeiten des Wirtschaftssystems unterschätzt. "Doch auch ich denke, es ist möglich und wünschenswert, den Kapitalismus zu überwinden. Nicht nur das: Das Ende des Kapitalismus wird kommen", sagte Piketty dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagsausgaben).
Der Ökonom kritisierte am derzeitigen Wirtschaftssystem, dass es immer wieder zu einer starken Konzentration der Vermögen führe.
Die Ungleichheit wurde in der Vergangenheit dabei nur durch Gewalteinwirkung reduziert: "Erst nach der bolschewistischen Revolution, nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Ungleichheit weniger", sagte Piketty.
Man dürfe nicht aufhören, forderte der Autor des Buchs "Das Kapital im 21. Jahrhundert", wegen der desaströsen Ergebnisse des Kommunismus über alternative Wege zu diskutieren. "Wenn diese Systeme damals so unglaublich schief gegangen sind, zeigt das doch, dass man sich noch keine richtigen Gedanken gemacht hat, wie man das Privateigentum neu organisieren könnte."
Piketty verlangte ein Nachdenken über einen wirklichen demokratischen Sozialismus, der sich mit der Frage der Überwindung des Kapitalismus auseinandersetzt.
Piketty warnte außerdem vor zu viel Vermögensungleichheit. Diese sei ein Faktor, der gesellschaftliche Spannungen und nationalistische Tendenzen hervorbringe: "Nach meinen Forschungen komme ich zu dem Ergebnis, dass der Nationalismus eine Ableitung der Ungleichheit ist", sagte Piketty dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Der Ökonom bemängelte, die ewige Logik des "Jeder für sich" behindere den Kampf gegen die Ungleichheit.
Piketty beobachtet, dass die Ungleichheit in den Industrieländern Ausmaße annimmt wie vor den beiden Weltkriegen. "Wir dachten, dass die ungerechte Welt, die Marx im 19. Jahrhundert beschrieb, nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden war. Doch dies war nur ein Ausreißer in der Geschichte."
Der Autor des Buchs "Das Kapital im 21. Jahrhundert" zog den Vergleich zwischen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und der Digitalisierung heute. Die Sektoren seien zwar nicht dieselben, doch die Vorgänge der Kapitalakkumulation spielten sich ähnlich ab.
"Wenn es keine staatliche Hand gibt, die von außen eingreift, steigt das Risiko, dass sich die Vermögen immer weiter konzentrieren", sagte Piketty dem RND mit Blick auf die großen Internetunternehmen Google, Amazon, Facebook und Apple.
Foto: Frankfurter Wertpapierbörse, über dts Nachrichtenagentur