In der Statistik werden nur verspätete Verbindungen angegeben. Die zahlreichen ausgefallenen Züge werden gar nicht mitgezählt. Denn ein Zug, der ausfällt, kann nicht zu spät kommen.
Es gehört zu den Begleiterscheinungen zerfallender Systeme, dass sie ihre Infrastruktur nicht mehr in Ordnung halten können. Die Verteidigung wird vernachlässigt, Straßen, Brücken, Schienenwege und Flughäfen verrotten langsam, aber sicher. Auch das Niveau von Gesundheits- und Bildungseinrichtungen lässt nach.
Beispielhaft zu beobachten war dies in der DDR, die bis 1988/89 zu den zehn größten Industriestaaten auf der Erde gezählt wurde, sich in Wirklichkeit aber in einem fortgeschrittenen Zerfallsprozess befand. Die Propaganda versuchte das zu übertünchen und meldete Planüberfüllung oder präsentierte den ersten Ein-Megabit-Speicher, was selbst westliche Messebesucher in Leipzig staunen ließ. Ein Jahr später half selbst die massivste Propaganda nichts mehr: Der Laden war am Ende.
Die Propaganda in zerfallenden Systemen hat zwei Ziele: Täuschung nach außen und nach innen – also der eigenen Bevölkerung. Ein Musterbeispiel für diese Art Propaganda bietet das deutsche Staatsunternehmen Bahn. Das Internet ist voll von Beschwerden über unpünktliche und ausfallende Züge. Bahnkunden erleben die Probleme bei fast jeder Reise.
Verschwiegen werden kann der Mangel also nicht mehr. Folglich werden Probleme verniedlicht und mit guten Nachrichten garniert. So muss die staatsnahe Nachrichtenagentur adn dpa in einem Bericht vom 16. August 2018 zwar zugeben, dass die Zahl pünktlich verkehrender Züge von 78,5 Prozent im Juli 2017 auf 72,1 Prozent im Juli 2018 zurückgegangen ist.
„Viele externe Ursachen“ wie Böschungsbrände werden in dem dpa-Text als Ursache genannt, und dann wird aber lobend auf die Modernisierung des Schienennetzes eingegangen, in die „die Rekordsumme von 9,3 Milliarden Euro“ fließe. Das soll suggerieren: Wenn alles abgearbeitet ist, sind die Probleme vorbei.
Das ist falsch. Die Lage ist viel schlimmer: In der Statistik werden nur verspätete Verbindungen angegeben. Die zahlreichen ausgefallenen Züge werden gar nicht mitgezählt. Denn ein Zug, der ausfällt, kann nicht zu spät kommen, so die Logik der Bahn. Und der Hinweis „Zug fällt aus“ hat inzwischen seinen festen Platz auf den Abfahrtstafeln in deutschen Bahnhöfen. Davon findet sich bei dpa kein Satz – und auch nicht in anderen Qualitätsmedien wie der FAZ.
Nach Insiderinformationen ist die Bahn so gut wie am Ende ihrer Möglichkeiten: Personal zu oft krank, Züge kaputt (auch durch Vandalismus), Signal- und Steuerungstechnik marode und Schienennetz überlastet und in miserablem Zustand.