In Brüssel geht es im nächsten Jahr um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission. Angeblich buhlt die Bundeskanzlerin um den Posten. Folge: Weidmann darf nicht EZB-Chef werden.
Börsen-Zeitung: "Weidmanns Pech"
Kommentar von Claus Döring zur Draghi-Nachfolge
Jens Weidmann würde gerne im Oktober 2019 Nachfolger von Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) werden. Dieses Amt hat er nie öffentlich für sich gefordert, doch der Wunsch ergibt sich schon aus Weidmanns Amtsverständnis als Präsident der Bundesbank.
Ein Geldpolitiker mit Leib und Seele wie Weidmann, der Notenbankchef der größten Volkswirtschaft in der Eurozone ist, muss geradezu danach streben, seine geldpolitischen Vorstellungen dort umsetzen zu können, wo man dies seit Einführung der Gemeinschaftswährung am wirkungsvollsten kann: an der Spitze der EZB.
Als ehemaliger Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß Weidmann aber auch, dass die Besetzung hoher europäischer Ämter machtpolitische Entscheidungen sind, bei denen nationaler Proporz und Einflussmöglichkeiten mehr zählen als fachliche Exzellenz und Loyalität.
Und deshalb liegt Brüssel zwar nicht geografisch, aber politisch Berlin näher als Frankfurt. Denn in Brüssel geht es im nächsten Jahr um die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission. Dieses Amt bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten und ist für die Zukunft der EU und damit auch für die politischen Verhältnisse in Deutschland allemal wichtiger als der Präsidentenposten einer Institution, die formal unabhängig ist und nur begrenzt politisch zu steuern ist.
Der Chef der EU-Kommission kann dagegen sogar weltpolitisch etwas bewirken, wie sich zuletzt beim Treffen von Juncker und US-Präsident Donald Trump zeigte.
Auf diesen Posten endlich einen Deutschen und möglicherweise politisch Vertrauten entsenden zu können, hätte folglich für die Bundeskanzlerin mehr Reiz, als den Bundesbankpräsidenten an die EZB-Spitze zu befördern. Pech für Weidmann, dass nur bei einer der beiden Spitzenpersonalien ein Deutscher zum Zug kommen dürfte - wenn überhaupt.
Dass Regierungsviertel und Bundesbankzentrale mehr als die geografische Entfernung trennen, ist nicht neu. Helmut Schmidts Kritik an der Bundesbankpolitik ist ebenso legendär wie Helmut Kohls Missachtung der Bundesbankwarnungen vor der deutsch-deutschen Währungsunion und der späteren Euro-Einführung.
Für die Bundesbank und die Anhänger ihrer geldpolitischen Grundsätze wäre es nach den geldpolitischen Zumutungen der Ära Draghi nun ein weiterer Tiefschlag, würde die Bundesregierung wie schon seinerzeit Axel Weber jetzt auch Jens Weidmann die Unterstützung für den Wechsel an die EZB-Spitze versagen.