Wenn die USA tatsächlich den Beitritt der Ukraine zur Nato betreiben sollten, wächst die Kriegsgefahr in Europa beträchtlich.
von Wolfgang Hübner
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will seinen Staat in die Nato führen. Das erklärte er, wie die FAZ berichtet, nach einem Telefonat mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Erst vor einigen Tagen hat Selenskyj ein Dekret unterzeichnet, das die Wiedergewinnung der Krim zum Ziel hat. Ein Zusammenhang dieser Ereignisse mit dem politischen Wechsel in den USA ist offensichtlich. Schon als Vizepräsident unter Obama hat Trump-Nachfolger Joe Biden die antirussischen Kräfte in der Ukraine unterstützt und tut das nun wieder.
Diese aggressive Politik ist ein Spiel mit dem Feuer. Russland kann und wird nicht tatenlos zusehen, wie seine bereits weitgehende Einkreisung von Nato-Staaten ihren Höhepunkt im Nato-Beitritt der Ukraine finden könnte.
Dies ist in Washington wohlbekannt, trotzdem wird seit Beginn der Biden-Präsidentschaft bei diesem Konfliktherd gezündelt. Und schon seit Tagen läuft eine propagandistische Offensive in den westlichen Medien, die Russland unterstellt, mit großen Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine für Verunsicherung und Kriegsfurcht zu sorgen. Moskau bestreitet das und weist auf ukrainische Provokationen gegen die Separatistengebiete im Osten hin.
Selbstverständlich ist die konkrete Situation im Grenzgebiet der beiden Staaten aus hiesiger Sicht nur schwer zu beurteilen.
Es kann aber keinen Zweifel geben, dass sich die Führung der Ukraine von der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung durch die neue US-Regierung ermutigt zeigt, im Konflikt mit Russland aggressiver aufzutreten.
Für die deutschen Interessen ist diese Entwicklung alarmierend. Denn wenn die USA tatsächlich den Beitritt der Ukraine zur Nato betreiben sollten, wächst die Kriegsgefahr in Europa beträchtlich.
Es ist kaum anzunehmen, dass Washington viel Rücksicht auf Bedenken gegen diesen Beitritt aus Berlin nehmen wird.
Denn die wieder an die Macht gelangte Kriegsfraktion in den USA und auch transatlantische Kreise in Europa sind weiterhin nicht nur am Sturz Putins, sondern auch an einer staatlichen Zerstückelung des riesigen russischen Territoriums samt dessen ungeheuren Bodenschätzen interessiert. Damit wäre zudem das aktuell verstärkte Zusammenwirken der Atommächte Russland und China gesprengt.
Die völlig vom Virusgeschehen gebannte Öffentlichkeit in Deutschland ist in Gefahr, eine ebenso wichtige wie hochgefährliche außenpolitische Weichenstellung nicht oder nur unzureichend wahrzunehmen.
Es muss aber klar sein: Wenn es im Osten zu einem bewaffneten Konflikt kommt, ist nicht die weit entfernte und bestens atomar geschützte USA gefährdet, sondern ganz besonders Deutschland. Weder die Amerikaner noch die Russen werden im Kriegsfall auf den weitgehend entmilitarisierten, extrem verwundbaren europäischen Zentralstaat Rücksicht nehmen, im Gegenteil.