Ärzteverbände und Patientenschützer fordern deutlich mehr Tempo bei den Corona-Auffrischimpfungen für Hochbetagte und Vorerkrankte. "Boosterimpfungen für die vulnerablen Gruppen werden gerade mit Blick auf die steigenden Zahlen dringend gebraucht", sagte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes der niedergelassenen Ärzte, Dirk Heinrich, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Dienstagsausgabe). "Leider ist das nicht bundesweit einheitlich geregelt, sodass es mancherorts zu Verzögerungen kommt."
In der Pflicht stehe insbesondere der Hausärzteverband. "Er hat schon ganz früh die Schließung der Impfzentren gefordert, weil diese angeblich nicht gebraucht würden. Das war ein Fehler", sagte Heinrich. "Daher muss der Verband jetzt flächendeckende Boosterimpfungen, auch in Pflegeheimen, durch die Hausärzte sicherstellen und mobile Impfteams dorthin schicken."
Der Virchowbund-Chef appellierte an alle niedergelassenen Ärzte, auch jenen Risikopatienten die dritte Impfdosis zu verabreichen, die ihre ersten Impfungen in Impfzentren bekommen haben. "Hier darf niemand durchs Raster fallen. Es kann ja nicht sein, dass jemand, der die Auffrischimpfung benötigt, stundenlang rumtelefonieren muss." Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, beklagte den "schleppenden Verlauf" beim Boostern: "Die Kassenärztlichen Vereinigungen tragen die Verantwortung dafür, dass nach gut drei Monaten gerade mal zwölf Prozent der über 70-Jährigen ein drittes Impfangebot erhalten haben", sagte Brysch. "Jetzt rächt es sich, dass gerade auf Druck der Kassenarztfunktionäre die Impfzentren und mobilen Teams größtenteils abgeschafft wurden."
Von einem bundesweit einheitlichen Corona-Konzept sei Deutschland heute weit entfernt, obwohl Herbst und Winter vor der Tür stünden. "Für Pflegeheimbewohner, ambulant versorgte Pflegebedürftige und Krankenhauspatienten wird der Corona-Schutzschirm sogar immer schwächer", sagte Brysch. Um das zu ändern, brauche es für diese Gruppen auch "eine systematische Überprüfung des Immunstatus und tägliche Tests für die Betroffenen, ihre Angehörigen und Pflegekräfte".
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert angesichts der erneut steigenden Corona-Inzidenzen in Deutschland eine deutliche Ausweitung der Auffrischungsimpfungen bei Risikogruppen. "In Anbetracht der steigenden Fallzahlen auch bei Älteren ist eine neue Impfkampagne zur Nutzung der Booster-Impfungen in dieser Altersgruppe jetzt unbedingt nötig", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Hintergrund ist die steigende Sieben-Tages-Inzidenz in Deutschland. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) war sie am Wochenende erstmals wieder dreistellig und stieg zu Wochenbeginn auf 110,1 Neuansteckungen je 100.000 Einwohner.
Foto: Impfkabine, über dts Nachrichtenagentur