Andrea Ammonn, Chefin des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC), hält ein Ende der Corona-Pandemie für noch nicht absehbar und erteilt der Hoffnung auf eine Herdenimmunität eine Absage. "Das gibt es bei anderen Virus-Erkrankungen wie der Influenza ja auch nicht", sagte sie dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe). "Insofern ist es ein Wunschdenken, dass diese Pandemie irgendwann wieder verschwindet. Zumindest nicht in den nächsten zwei bis drei Jahren."
Aufgabe des ECDC ist es, die Abwehrmechanismen der EU gegen Infektionskrankheiten zu stärken und die EU-Mitglieder mit wissenschaftlichen Erkenntnissen über das Virus zu versorgen. Die deutsche Epidemiologin geht davon aus, dass auf absehbare Zeit immer neue Impfungen gegen das Coronavirus nötig sein werden. Deshalb sieht sie die in Deutschland diskutierte Impfpflicht auch mit Skepsis. "Das kann kurzfristig die Impfquote steigern. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ein Zwang langfristig einen Vorteil hat, wenn man es nicht schafft, die Impfbereitschaft grundsätzlich zu steigern", so Ammon. Ein Zwang könne bei immer neuen Impfungen die bereits heute bestehende Wut und die Proteste der Impfgegner noch verstärken. "Über 90 Prozent der sequenzierten Proben in der EU sind immer noch Delta und in vielen Ländern steigen Inzidenzen, schwere Verläufe und langsam auch die Todeszahlen", sagte Ammon. "Wir sollten deshalb dafür sorgen, dass wir nicht an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen müssen - mit einer hohen Delta- und einer hohen Omikron-Welle." Deshalb seien nun schnelle Booster-Impfungen nötig, die schon drei Monate nach der zweiten Impfung erfolgen könnten. Gerade an den anstehenden Feiertagen sollten Familien vorsichtig sein und die Zahl der Personen begrenzen, mit denen sie sich treffen, fordert sie.
Foto: Mann mit Mund-Nasen-Schutz, über dts Nachrichtenagentur