Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hat vor dem Bundesverfassungsgericht in höchster Instanz einen Rechtsstreit gegen die Bundesregierung gewonnen, in dem diese ihm eine Äußerung verbieten lassen wollte.
Im August 2023 hatte Reichelt auf Twitter/X behauptet, dass Deutschland in den letzten zwei Jahren 370 Millionen Euro Entwicklungshilfe an die Taliban gezahlt habe und ergänzt: "Wir leben im Irrenhaus, in einem absoluten, kompletten, totalen, historisch einzigartigen Irrenhaus. Was ist das nur für eine Regierung". In der Kurznachricht verlinkt war ein Artikel zu Reichelts neuem Magazin "Nius" mit der Überschrift "Deutschland zahlt wieder Entwicklungshilfe für Afghanistan".
Das Berliner Kammergericht hatte dem Antrag der Bundesregierung, vertreten durch das Entwicklungshilfeministerium (BMZ), stattgegeben, weil die Äußerung aus dem Tweet eine unwahre Tatsachenbehauptung sei, und geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Bundesregierung zu gefährden. Denn tatsächlich überweise die Bundesregierung kein Geld an die Taliban, sondern an die in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen.
Das Bundesverfassungsgericht führte nun aus, die Entscheidung des Kammergerichts verletze den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus dem Grundgesetz. Dem Staat hingegen komme "kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu". Er habe stattdessen grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Man dürfe zudem den verlinkten Artikel bei der Beurteilung nicht ausblenden.
Ähnlich hatte auch schon das Berliner Landgericht argumentiert und für Reichelt entschieden, dagegen war die Bundesregierung aber in die nächste Instanz gegangen und hatte vor dem Kammergericht auch vorübergehend Erfolg, der nun vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde: "Indem das Kammergericht für seine Beurteilung die in der Kurznachricht wiedergegebene Schlagzeile `Deutschland zahlt wieder Entwicklungshilfe für Afghanistan` ausblendet, verharrt seine Sinndeutung auf einer isolierten Betrachtung des Kurznachrichtentextes", so die Karlsruher Richter (Beschluss vom 11. April 2024, 1 BvR 2290/23).
Foto: Bundesverfassungsgericht (Archiv), über dts Nachrichtenagentur