Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine hat sich versöhnlich und anerkennend über seinen einstigen Erzrivalen Gerhard Schröder geäußert. "Ich habe heute mehr Verständnis für einige seiner damaligen Entscheidungen", sagte Lafontaine dem "Spiegel". So sei es beispielsweise für eine neue Regierung schwierig gewesen, sich direkt gegen die USA zu stellen, die 1999 den Einsatz der Bundeswehr im Jugoslawienkrieg verlangten. "Er hatte den Mut, auch Fehler zuzugeben", lobte Lafontaine weiter.
"Er räumte zum Beispiel ein, dass der Krieg in Jugoslawien völkerrechtswidrig war. Und er hat Stehvermögen. Dass er im Gegensatz zu Merkel, Steinmeier und allen anderen nicht eingeknickt ist, wenn es um die Beziehung zu Russland geht, zeigt das." Auf die Frage, wie er auf Schröders politische Gesamtbilanz blicke, sagte Lafontaine: "Ich versuche, sie fair zu bewerten, und vergleiche Schröder mit Merkel und Scholz. Unterm Strich schneidet Schröder nicht schlecht ab. Angela Merkel ist immer der US-Politik gefolgt. Sie wollte auch beim Irakkrieg mitmachen. Schröder hätte auch bei der Migration nicht blauäugig gesagt, wir schaffen das. Scholz ist für mich eine große Enttäuschung."
Im vergangenen Jahr hatten sich Schröder und Lafontaine im Beisein ihrer Ehefrauen zur Aussprache getroffen - nach rund 24 Jahren Funkstille. "Auch ich fand, es sei an der Zeit, wieder aufeinander zuzugehen", sagte Lafontaine. "Wenn zwei Politiker eine solche Geschichte zusammen hatten, und es vergehen viele Jahre ohne Kontakt, dann ist es überfällig, wieder ins Gespräch zu kommen." Und weiter: "Die Zeit heilt Wunden. Und man ändert die Sichtweise. Hegel sagt, das Wahre ist das Ganze. Auch die Meinung des anderen ist ein Teil der Wahrheit."
Zu Schröders 80. Geburtstag am 7. April habe er ihn angerufen und Glück und Gesundheit gewünscht. "Ein Schreiben zum Geburtstag wäre mir zu formell, zu unpersönlich gewesen. Es war ein schönes Telefonat, freundlich, es gab keine Kontroversen. Wir haben auch nicht mehr den Anspruch, einander politisch zu überzeugen. Mit zeitlichem Abstand ist es leichter, mit Differenzen umzugehen."
Foto: Oskar Lafontaine (Archiv), über dts Nachrichtenagentur