Der britische Historiker Niall Ferguson sagt der Europäischen Union (EU) eine existenzbedrohende Krise voraus.
In den nächsten zehn Jahren werde sich entscheiden, ob die EU überlebt. Dagegen hält er einen Zerfall der Euro-Zone für weniger wahrscheinlich.
"Für Brüssel könnte es in den nächsten zehn Jahren eng werden. Es ist sehr gut möglich, dass der Euro die EU überlebt", sagte Ferguson der "Welt am Sonntag".
Für die drohenden Herausforderungen der kommenden Jahre sieht er Europa schlecht gerüstet. "Die EU ist die schwächste unter den großen Mächten", sagte Ferguson.
Auf der einen Seite stehe das Imperium Donald Trumps, auf der anderen die Volksrepublik China: Beide könnten Europa immer wieder vorführen. Zugleich werde die EU durch die Anfechtungen der Populisten von innen heraus geschwächt. Den traditionellen Parteien, die die EU stützen, falle es immer schwerer, eine Mehrheit zu finden.
"In mancher Hinsicht erinnert mich die EU an das alte Heilige Römische Reich. Das ist kein Gebilde, mit dem man ins 21. Jahrhundert gehen will", sagte der 54-jährige Wissenschaftler, der aktuell an der Stanford University im US-Staat Kalifornien lehrt.
Drohungen von italienischen Regierungspolitikern, die Währungsunion zu verlassen, hält Ferguson für einen Bluff: "Würde sich Italien heute vom Euro verabschieden, würden die Sparer jede Menge Geld verlieren, also viele von denen, die Lega und Fünf Sterne gewählt haben."
Mit der EU sei es dagegen anders. Großbritannien habe gezeigt, dass es möglich sei, sie zu verlassen. "Die Ironie ist doch: Es ist einfacher, die EU zu verlassen, als aus der Euro-Zone auszutreten", sagte Ferguson.
Die Einigkeit der Europäischen Union wurde nicht nur durch die neue Regierung in Rom auf die Probe gestellt, sondern im Vorfeld des G-7-Gipfels in Kanada auch durch Vertreter der US-Administration von Donald Trump.
Ferguson ist für seine provokanten Aussagen berühmt. Er gehört zu den meistgelesenen Historikern der Welt. Vor allem mit Publikationen zur Geschichte von Krisen und Kriegen hat sich der 1964 geborene Brite einen Namen gemacht.
Foto: Euromünze, über dts Nachrichtenagentur