Nach aktuellen Daten lebten im Jahr 2008 in Deutschland rund 14Prozent der Bevölkerung unter der Armutsschwelle. Das sind rund einDrittel mehr als noch vor zehn Jahren. Dabei sind Kinder und jungeErwachsene besonders betroffen, so das Ergebnis einer neuen DIW-Studie.„Höhere Hartz-IV-Sätze reduzieren zwar Einkommensdefizite“, sagt MarkusGrabka, einer der Autoren der DIW-Studie, „sinnvoller erscheinen unsaber Investitionen in Kinderbetreuung und in verbesserte Erwerbschancenfür Alleinerziehende und Familien mit jungen Kindern.“
Ein Viertel der jungen Erwachsenen lebt unter der Armutsschwelle
Alsarmutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittlerenEinkommens seines Landes zur Verfügung hat. So hat es die EuropäischeKommission festgelegt, die 2010 auch zum Europäischen Jahr gegen Armutund soziale Ausgrenzung ausgerufen hat. „Erst wenn wir von Ursachen undAuswirkungen von Armut ein klares Bild haben, können wir siewirkungsvoll bekämpfen“, sagt DIW-Experte Markus Grabka. In Deutschlandsind nach den aktuellsten Daten für 2008 etwa 14 Prozent derBevölkerung armutsgefährdet – 11,5 Millionen Menschen. „Vor allem jungeErwachsene und Haushalte mit Kindern sind betroffen.“ Unter den 19- bis25-Jährigen lebte 2008 knapp ein Viertel unterhalb der Armutsschwelle,so die DIW-Studie.
Die DIW-Forscher machen dafür vor allem dreiGründe aus: So hätten die Dauer der Ausbildung sowie der Anteil derHochschulabsolventen zugenommen – was den Einstieg ins Berufslebenverzögert. Zudem würden viele Berufsanfänger über schlecht bezahltePraktika und prekäre Arbeitsverhältnisse ins Arbeitsleben einsteigen,und es gebe den Trend, das Elternhaus früher zu verlassen.
Risiko steigt mit Kinderzahl – Allein zu erziehen erhöht Armutsgefahr
„InsbesondereFamilienhaushalte mit mehr als zwei Kindern sind stärker von Armutbetroffen“, sagt Joachim Frick, Co-Autor der Studie. Für Familien mitdrei Kindern liegt das Risiko bereits bei knapp 22 Prozent, bei vierund mehr Kindern erreicht es 36 Prozent. „Gegenüber 1998 ist dasArmutsrisiko kinderreicher Haushalte beträchtlich gestiegen“, so Frick,„und das, obwohl der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und dasElterngeld diese Entwicklung bereits entlastet haben.“ Mit über 40Prozent weisen Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern ebenfallsweit überdurchschnittliche Armutsraten auf.
Altersarmut aktuell kein großes Problem
Relativgut stellen sich nach der Studie dagegen die aktuell 46- bis55-Jährigen. „Diese Gruppe hat die Bildungskarriere in der Regelabgeschlossen und ist überwiegend berufstätig“, so Joachim Frick.Personen am Ende ihres Berufslebens oder zu Beginn des Ruhestandsweisen ebenfalls ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko auf. Erstnach dem 75. Lebensjahr steigt das Armutsrisiko wieder auf dasDurchschnittsniveau, was die Forscher unter anderem auf den höherenAnteil von Witwen mit geringeren Alterseinkünften zurückführen. „Knappein Fünftel der allein lebenden alten Frauen lebt unterhalb derArmutsschwelle“, sagt Joachim Frick. „Für Ältere, die in einerPartnerschaft leben, stellt Armut derzeit aber kein großes Problem dar.“
Höhere Hartz-IV-Sätze lindern zwar akute Einkommensdefizite...
Obwohlder Ausbau der Kinderbetreuungsplätze seit 1993 und auch das 2007eingeführte Elterngeld Wirkung zeigen, bleiben Kinder und Jugendlicheeinem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Eine Anhebung derHartz-IV-Sätze kann zwar den akuten Einkommensbedarf der Betroffenendecken, trifft aber nach Auffassung der Wissenschaftler nicht den Kerndes Problems. Das gelte auch für die jüngste Anhebung des Kindergeldsnach dem Gießkannenprinzip. „Hier mangelt es an Zielgenauigkeit“, soGrabka.
...zielgruppengenaue Maßnahmen können aber Ursachen von Armut erreichen
„FinanzielleUnterstützung allein bekämpft zwar Symptome, kuriert aber nicht dieUrsachen von Armut“, so die Autoren der DIW-Studie. Sie fordern einenauf die Zielgruppe zugeschnittenen Mix aus finanzieller undnicht-finanzieller Unterstützung. „Investitionen inBetreuungseinrichtungen und in die Verbesserung der Erwerbschancen fürAlleinerziehende und Eltern junger Kinder könnten hier effektiverwirken.“