Der Ärzteverband Marburger Bund fordert schnellere Entscheidungen über Corona-Schutzmaßnahmen für den Herbst. "Ich plädiere dringend dafür, noch vor der Sommerpause die Weichen zu stellen, sonst setzt sich die Politik unter erheblichen Druck", sagte Verbandschefin Susanne Johna der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es wäre "verantwortungslos", wenn man Ende September in eine Regelungslücke schlitterte.
"In der Zeit bis dahin können nicht nur die Corona-Fälle wieder stark ansteigen, sondern auch die Fallzahlen bei anderen Ansteckungskrankheiten." Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die auf Ende Juni verschobene Evaluation der bisherigen Anti-Corona-Maßnahmen abwarten, um den Entwurf für ein neues Infektionsschutzgesetz zu erarbeiten. Das bestehende läuft am 23. September aus. "Ich kann das Abwarten nicht nachvollziehen", sagte die Marburger-Bund-Vorsitzende dazu. Das sei "riskant", es werde so "verdammt eng, rechtzeitig ein Instrumentarium bereitzustellen". Nicht allein von Corona gehe ein Risiko für das Gesundheitssystem aus: "Ich halte die Gefahr gleichzeitiger Wellen von Corona und Influenza zum Ende des Sommers oder am Herbstanfang für real", sagte Johna der NOZ. In Australien sei schon eine ungewöhnlich starke Influenza-Welle zu beobachten, "und zwar deutlich früher als üblich". Darauf müsse man vorbereitet sein.
Die Ärzte wollten nicht zum dritten Mal in zwei Jahren den Patienten sagen, dass man geplante Eingriffe verschieben oder dass man schwerstkranke Menschen verlegen müsse, teils in andere Bundesländer. Auch wenn es nur regional zu kritischen Überlastungen gekommen sei: "Das will niemand noch einmal erleben." Um einem Gesundheitsnotstand vorzubeugen, müsse das neue Infektionsschutzgesetz harte Maßnahmen ermöglichen, fordert der Marburger Bund. "Wir halten nichts von Schul- und Kitaschließungen", sagte Johna. "Alle anderen Maßnahmen, bis hin zu Kontaktbeschränkungen und einer etwaigen Schließung von Bars und Clubs, sind Instrumente, die in den Kasten gehören." Es wäre "fahrlässig, wenn der Bund den Ländern diese Optionen nehmen würde".
Foto: Menschen mit Maske, über dts Nachrichtenagentur