Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will seinen im Zuge der Flugblattaffäre in die Kritik geratenen Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nicht entlassen. Eine Entlassung wäre "nicht verhältnismäßig", sagte Söder am Sonntag in München. Aiwanger habe in seiner Jugend "wohl schwere Fehler gemacht", er habe sich aber entschuldigt, distanziert und Reue gezeigt.
Einen Beweis für das Verfassen des Flugblattes gebe es bis heute nicht. Seit dem Vorfall, der 35 Jahre her sei, sei zudem nichts Vergleichbares vorgefallen. Söder hatte Aiwanger in der vergangenen Woche einen Katalog mit 25 Fragen übergeben, die dieser am Freitag beantwortet hatte; die Antworten seien "nicht alle befriedigend", es gebe viel Bekanntes, wenig Neues, sagte Söder dazu. Das Krisenmanagement Aiwangers sei auch "nicht sehr glücklich" gewesen. Es habe spät, "aber nicht zu spät" eine klare Entschuldigung und Distanzierung gegeben.
Söder kündigte an, dass Aiwanger das Gespräch mit jüdischen Gemeinden suchen werde, um "Vertrauen zurückzugewinnen". Seine Entscheidung, Aiwanger nicht zu entlassen, sei nach Abwägung eines "fairen und geordneten Verfahrens" erfolgt, fügte der Ministerpräsident hinzu. "Ich bedauere diese Angelegenheit. Damit ist die Sache aber aus meiner Sicht abgeschlossen." Der CSU-Politiker hofft unterdessen, die Affäre schnell hinter sich lassen zu können: "Wir werden in Bayern die bürgerliche Koalition fortsetzen können", sagte er. "Es wird definitiv in Bayern kein Schwarz-Grün geben und alle Angebote der Opposition, die hierzu gemacht werden, laufen ins Leere", so Söder.
Der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger war zuletzt schwer in Kritik geraten, nachdem die SZ berichtet hatte, dass bei ihm während seiner Schulzeit ein antisemitisches Flugblatt gefunden worden war. In diesem wurde unter anderem das Vernichtungslager Auschwitz als "Vergnügungsviertel" bezeichnet und ein fiktiver "Bundeswettbewerb" mit dem Titel "Wer ist der größte Vaterlandsverräter?" ausgerufen. Als Preise wurden dabei "ein Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz" genannt sowie ein "einjähriger Aufenthalt in Dachau" angegeben. Aiwanger bestreitet die Vorwürfe, zuletzt hatte sein Bruder eingeräumt, der Verfasser des Schriftstücks zu sein. Entsprechend äußerte sich Aiwanger auch seinen Antworten auf den Fragenkatalog von Söder. Nach Bekanntwerden des Flugblatts waren in den vergangenen Tagen weitere Vorwürfe gegen Aiwanger erhoben worden. Der Freie-Wähler-Chef hatte daraufhin eingeräumt, Fehler in seiner Jugend gemacht zu haben - einen Rücktritt lehnte er allerdings ab. In seinen Antworte zum Fragenkatalog schreibt er, dass der Vorfall ein "einschneidendes Erlebnis" gewesen sei, der "gedankliche Prozesse" ausgelöst habe.
Foto: Markus Söder (Archiv), über dts Nachrichtenagentur