Vier der führenden Gesundheitsorganisationen in Deutschland rechnen mit der Politik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ab. Vor allem die Art und Weise, wie Lauterbach Politik betreibe und diese kommuniziere, lehne man ab, heißt es in der gesundheitspolitischen Bilanz, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Apothekerverband ABDA am Donnerstag in Berlin vorstellten.
Neben "inhaltlichen Schwachpunkten" bei den Gesetzentwürfen gehe es bei der Kritik auch um "den mangelnden Respekt", den der Minister der Selbstverwaltung und damit letztendlich auch den Patienten entgegenbringe, so die Organisationen. So bezeichne der Minister Organisationen mit gesetzlich festgelegten Aufgaben immer wieder als "Lobbygruppen" und verweigere Gespräche mit ihnen.
Die Gesundheitsinstitutionen kritisieren zudem, dass der Minister bislang vor allem durch "größtenteils vage, öffentliche Ankündigungen" aufgefallen ist. "Konkrete politische Umsetzungen" seien dann "entweder gar nicht, halbherzig oder extrem verspätet" erfolgt. Mit Nachdruck habe Lauterbach zu Beginn seiner Amtszeit beispielsweise angekündigt, dass es mit ihm keine Leistungskürzungen geben werde. De facto führten seine politischen Entscheidungen aber dazu, dass die Patienten immer weniger Leistungen an weniger Standorten erhalten würden bzw. bereits erhalten, so die Verbände.
Die KBV, KZBV, DKG und ABDA forderten Lauterbach und die Ampel-Koalition dazu auf, "die Versorgung der Patienten wieder in den Fokus zu nehmen". Nötig seien "nachhaltige Reformen", die die bestehenden Versorgungsstrukturen stärkten. Es gebe dazu "konstruktive Gestaltungsvorschläge", die Lauterbach "schon seit Monaten" bekannt seien. Die Stimmung der Leistungserbringer sei derzeit "auf einem absoluten Tiefpunkt", hieß es weiter. Sie stießen an ihre Grenzen und könnten die Versorgung, wie die Patienten sie bisher gewohnt waren, nicht mehr länger leisten.
Die Organisationen riefen Lauterbach auf, "endlich in den Dialog mit denjenigen zu treten, die die Versorgung täglich gestalten". Sie drohten zudem damit, die Mitarbeiter im Gesundheitswesen und die breite Öffentlichkeit "auf unterschiedlichen Kanälen verstärkt über die verheerenden Folgen dieser Politik für die Versorgung von rund 84 Millionen Patienten in Deutschland" aufklären zu wollen, falls ein "Kurswechsel" ausbleiben sollte.
Vertreter aller vier Organisationen hoben am Donnerstag zudem einzelne Schwerpunkte hervor, in denen es Probleme gebe. So sei die große Krankenhausstrukturreform vonseiten des Ministeriums "so schlecht gemanagt" worden, "dass man praktisch von einem Scheitern sprechen muss", sagte Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. Stand heute liege noch nicht einmal ein abgestimmter Referentenentwurf für ein mittlerweile nur noch nicht zustimmungspflichtiges Gesetz vor. Insgesamt sprach Gaß von einer "desaströsen Bilanz nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit".
Der Vorstandsvorsitzende der KBV, Andreas Gassen, sagte derweil, dass sich aktuell fast alle Gesetzentwürfe aus dem Hause Lauterbach als "viel zu kompliziert, nicht zu Ende gedacht und mit kaum absehbaren gewaltigen Folgen" beschreiben ließen. Martin Hendges, Vorstandsvorsitzender der KZBV, ergänzte, dass eine flächendeckende zahnärztliche Versorgung, wie es sie bislang gab, "unter den desaströsen politischen Rahmenbedingungen kaum noch zu gewährleisten" sei.
Und Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA, beklagte, dass die Apothekenzahl sich seit Jahren im Sinkflug befinde. Patienten müssten immer weitere Wege zu ihrer Apotheke zurücklegen. "Auch in diesem Jahr führen die politisch verursachten Probleme zu massiven Belastungen", so Overwiening. Die Apothekenteams lösten die unzähligen Lieferengpässe und unterstützten die Menschen beim holprigen Start des E-Rezepts. "Das alles übernehmen die Apotheken trotz zehrenden Fachkräftemangels." Lauterbach kündige derweil nur "Scheinreformen" an, statt die wohnortnahe Versorgung zu stabilisieren, so die Apothekerverband-Chefin.
Foto: Lobbyisten aus dem Gesundheitswesen am 11.04.2024, über dts Nachrichtenagentur