Statistik-Schwindel von Amts wegen: Umweltbundesamt bläht Absatzzahlen von Pflanzenschutzmitteln künstlich auf und vergleicht Äpfel mit Birnen. Die Medien griffen die Vorgaben unkritisch auf.
Das Umweltbundesamt (UBA) meint nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in der Veröffentlichung "Umwelt und Landwirtschaft" wieder einmal einen steigenden Absatz von Pflanzenschutzmitteln festgestellt zu haben. Dafür greift das Amt auf zwei fragwürdige statistische Kunstgriffe zurück: zum einen wird ein statistischer Ausreißer als Referenzjahr gewählt, zum anderen die "inerten Gase im Vorratsschutz" nicht herausgerechnet.
Das UBA spricht nach Angaben der dpa von einem Anstieg des Pflanzenschutzmittel-Absatzes zwischen 1994 und 2015 - warum die aktuellsten Zahlen fehlen, bleibt unklar - von knapp 30000 auf über 40000 Tonnen.
Die Statistik des Bundesamts hört 2015 auf, obwohl Zahlen für 2016 bereits vorliegen. Warum? Weil im Vergleich zu 2015 weniger Pflanzenschutzmittel verbraucht wurden.
Was hinter dieser Technik des "selbst gemachten Trends" steckt, erläuterte Statistik-Professor Walter Krämer schon vor 30 Jahren in dem Buch "So lügt man mit Statistik": Ein Referenzjahr wird bewusst herausgegriffen, um den gewünschten Trend zu generieren. Denn 1994 war das Jahr mit dem historisch niedrigsten Absatz an Pflanzenschutzmitteln, zum einen, weil in diesem Jahr viele Flächenstilllegungen griffen, zum anderen weil Aufbrauchfristen für DDR-Altprodukte ausliefen.
Peinlich für das UBA: Vor einem Jahr schon "prämierte" das Essener RWI Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung diese Manipulation als "Unstatistik des Monats".
Nicht weniger fragwürdig ist die Einrechnung der inerten (reaktionsträgen) Gase. Diese müssen zwar dem zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gemeldet werden.
Es handelt sich aber nicht um Mittel, die der Landwirt einsetzt, sondern in aller Regel um Kohlendioxid, mit dem Vorräte vor Schädlingen geschützt werden. Der Einsatz von Kohlendioxid ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, da kaum noch andere Wirkstoffe zum Vorratsschutz zur Verfügung stehen. Die inerten Gase werden vom BVL daher gesondert ausgewiesen.
Fazit: Wer es also genau wissen will, sollte die Absatzstatistik für Pflanzenschutzmittel direkt auf den Seiten des dafür zuständigen BVL einsehen. Dort findet man nicht nur die aktuelleren Zahlen (2016 zum Beispiel ist der Absatz weiter gesunken), sondern alle Daten und entsprechende Erläuterungen.