Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geht davon aus, dass der sogenannte "Masterplan Migration" inklusive den geplanten Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Anfang kommender Woche in Kraft tritt und die Beamten an den Grenzen danach handeln.
"So habe ich das verstanden", antwortete Scheuer der "Welt am Sonntag" auf die Frage, ob Seehofer sein Konzept Anfang nächster Woche vorstellen und umsetzen werde. Das Interview wurde allerdings vor den Berichten über einen möglicherweise geplanten EU-Sondergipfel geführt.
Zur Frage, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Zurückweisungen ablehnt, Seehofer dann entlassen müsse, wollte sich Scheuer nicht äußern.
"Ich denke nicht in Konjunktiven, und weiß nur, dass es Handlungsbedarf gibt. Und einen Plan", sagte das Mitglied des CSU-Parteivorstands. Scheuer betonte, dass es der CSU nicht darum gehe, ein Ende der gemeinsamen Unionsfraktion im Bundestag oder der Regierungskoalition zu provozieren: "Wir wollen keinen Bruch, wir wollen eine Einigung", sagte er.
"Wir von der CSU wollen Einigkeit innerhalb der Union, aber wir wollen auch Haltung und Handlung. Es muss in Ordnung gebracht werden, was seit Jahren nicht richtig läuft", kritisierte Scheuer die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin.
"Das haben wir übrigens auch im Koalitionsvertrag gemeinsam so vereinbart." Die 63 Maßnahmen des sogenannten "Masterplans" seien "gut abgewogen und fachlich richtig", sagte Scheuer.
Die CSU reagiere damit auf die Stimmung in der Bevölkerung. Er werde von vielen Bürgern angesprochen "mit dem Grundtenor: Bringt die Zuwanderung in Ordnung. Das sind wir Susanna schuldig". Die 14-jährige Susanna F. war mutmaßlich von einem irakischen Flüchtling ermordet worden.
Mit dem Landtagswahlkampf in Bayern habe der Migrationsstreit in der Union nichts zu tun: "Der Vorwurf, dass wir mit diesem Thema Wahlkampf machen, ist völlig falsch", sagte Scheuer. "Darum geht es nicht, sondern darum, endlich Probleme zu lösen und auch Missstände abzustellen."
Staatsnotstand
Auf die Frage, ob es einen Staatsnotstand gebe, sagte Scheuer: "Ich sehe das doch in meiner bayerischen Heimat. Dem Land geht es so gut wie nie zuvor, wir haben mit Markus Söder in Bayern einen engagierten Ministerpräsidenten, der die Tradition bewahren und gleichzeitig mit Megaprogrammen den Fortschritt fördern will, damit kommende Generationen noch besser leben. Trotzdem sagen die Leute: Ihr müsst die Migrationsfragen klären - aus der Vergangenheit und für die Zukunft."
Die Migration dominiere bei den Bürgern derzeit alle anderen Themen: "Wir könnten die Bürgersteige vergolden, aber die Bürger wollen konkrete Antworten und Maßnahmen in puncto Zuwanderung."
Scheuer übte dabei scharfe Kritik an der EU-Kommission: "Brüssel ist schnell da, wenn es darum geht, den Landwirten in Bayern oder Schleswig-Holstein eine neue Verordnung draufzudrücken. Aber bei den großen Themen braucht Europa viel zu lang, bleibt die Kommission weit hinter den Erwartungen zurück", sagte er.
"Wir in Deutschland sind dann immer wieder der Treiber für eine einheitliche Union: für eine harte Währung, ein gemeinsames Vorgehen bei der Handelspolitik und ein klares Vorgehen bei der Flüchtlingspolitik. Die EU sollte großzügiger beim täglich Kleinklein sein, aber groß sein bei den wirklichen Herausforderungen."
Dennoch gebe er Europa mit dem geplanten Alleingang Seehofers nicht auf. "Überhaupt nicht. Ich bin ein überzeugter Europäer", sagte er. "Ich stelle nur fest, dass man die großen Themen endlich angehen muss, denn sie haben das politische Koordinatensystem in Europa verändert. Auch in den kommenden Jahrzehnten werden Millionen Menschen versuchen, nach Europa zu kommen und zu bleiben."
Von einem deutschen Alleingang, den die CDU in dem Masterplan sieht, könne keine Rede sein, schließlich nehme Deutschland mehr Flüchtlinge auf, als alle anderen EU-Mitgliedsstaaten zusammen. "Wir sind gerecht, humanitär, christlich. Aber Deutschland kann das Flüchtlingsproblem nicht allein schultern", so der Minister.
Deutschland bleibe daher keine Alternative zu den Zurückweisungen. "Die Staatsgewalt muss das Staatsvolk und das Staatsgebiet schützen", sagte Scheuer. "Geltende Rechtslage in der EU ist: Wenn unsere Behörden feststellen, dass eine Person bereits in einem anderen EU-Land registriert ist, dann müssen unsere Nachbarländer diesen Menschen wieder aufnehmen."
Foto: Andreas Scheuer, über dts Nachrichtenagentur