Gerüchte laufen durch die Reihen und Gazetten wie Falschgeld:Normale Menschen stellen es nicht her, aber sie geben es bedenkenlosweiter. Nicht nur dem Klatschmaul schmeckt diese pikante Kost aus demglobalen Dorf der Gerüchteküche. Einmal wie Gift eingeflößt, kann einGerücht eine Existenz ruinieren, einen Börsenkurs hochtreiben und desVolkes Meinung manipulieren.
Gerüchte gab es sowohl gestern wie heute. Abenteuerlich war, wasMark Twain zur Goldgräberzeit als Redakteur berichtete: “Neue Claimswurden täglich angemeldet. Es war unter den Findern üblich, zur Zeitungzu gehen und uns Redakteuren freie Anteile in Aussicht zu stellen, wenndiese als Gegengabe irgend eine Schaumschlägerei über die gutenAussichten ihres Claims veröffentlichten.” Twain schrieb weiter…”selbstein altes, verlassenes Claim lobten wir so in den Himmel, dass wir esselbst nicht wiedererkannten. Dann war es soweit, dass einer zugriffund es aufgrund seiner zweifelhaften Berühmtheit kaufte und verkaufte.Täglich erhielten wir Anteile zum Geschenk”.
Die umtriebige Börse ist der Umschlagplatz für Gerüchte. Heute sindes getürkte ad hoc-Meldungen in den virtuellen Chat-Räumen der globalenZockerbuden, dem Internet, die dem unerfahrenen Spekulanten einenPseudo-Wissensvorsprung vorgaukeln. So verbreitet man 1999, dass dieAutohandelfirma UPCA ein Mittel gegen Aids gefunden hätte. Abstrusgenug! Die Aktie stieg prompt um 2.000% – von 25 Cent auf 5 Dollar.Auch für die gezielte Aktien-Manipulation nach unten gibt es unzähligeBeispiele. So tauchte seinerzeit die lancierte Meldung auf, dass derChef des Softwareanbieters Graphisoft tödlich verunglückt sei, nurdamit ein unbekannter Investor billig einsteigen konnte.
Gerüchte und Lügen sind vagabundierende Spießgesellen und dieseScheininformationen sind die effiziente Form der Kommunikation. Ineinem Kommunikationsvakuum trifft verbaler Giftmüll auf fruchtbarenBoden. Von Mund zu Mund oder von Blatt zu Blatt weitergetragen,verändert sich ein Gerücht durch die Weitergabe dramatisch und ziehtgrößere Kreise. Anfängliche Mutmaßungen mutieren zu Tatsachen. Diewildesten Spekulationen finden oft den größten Resonanzboden – schonweil sich Zuträger und Zuhörer gemeinsam lustvoll am Dramatischenberauschen: Die einen genießen ihre Wichtigkeit als Wissende, dieanderen sehen ihre schlimmsten Befürchtung bestätigt. Ein Gerücht istwie eben ein Ei: Ist es erst einmal ausgebrütet, bekommt esunweigerlich Flügel – es verselbständigt sich. Dazu sagte treffend derrömische Dichter Vergil: „Fama crescit eundo” – das Gerücht wächst,indem es sich verbreitet.
Geraten negative Gerüchte in den Kreislauf der Kommunikation, sonehmen sie in allen Lebensbereichen erheblichen Einfluss auf dieWirklichkeit. Einmal ausgestreut, ist ein Gerücht selbst durch einenWiderruf kaum zu stoppen. Ein Kabarettist fand dazu ein trefflichesBild: „Manches Dementi gleicht dem verzweifelten Versuch, die Zahnpastawieder in die Tube zu bekommen”.
Fangen wir mit harmlosen Betrachtungen an. WissenschaftlicheUntersuchungen sollen gezeigt haben, dass in Italien die Menschen nichtallein durch gesunde mediterrane Kost älter werden, vielmehr sei ihreEsskultur mit einer gesundheitsfördernden Schwatzkultur verbunden. DassReden über Probleme als Therapie helfen kann, ist ja bekannt, auch beiTisch. Genau umgekehrt, entstanden an bestimmtenKommunikationssammelpunkten des Militärs die berühmt-berüchtigtenLatrinenparolen.
Und wie viele angebliche Volksweisheiten und wissenschaftlicheirrtümliche Aussagen beruhen auf Gerüchten? So ist unsereSchlafqualität bei Vollmond nicht geringer. Hartnäckig halten sich auchVolksweisheiten: Wenn’s gewittert, sollte man Eichen weichen und Buchensuchen. Dabei kann jede Baumart vom Blitz getroffen werden. Auch dassKaffee dem Körper Flüssigkeit entzöge, ist ein Märchen. Kaffee, inMaßen genossen, schützt sogar vor vielen Krankheiten. Jahrhundertehielt sich das aristotelische Dogma, dass eine Spinne sechs Beinehätte, wo doch ein einfaches Nachzählen leicht zu acht Beinen führt.Ein immer wieder abgeschriebener Rechenfehler um Faktor zehn beimAuswerten des Eisengehalts von Spinat macht bis heute noch die Runde.Oder denken Sie an den angeblichen Ausbund der Bürokratisierung: dieEU-Verordnung mit 25.911 Wörtern. Nur ein Gerücht; sie besteht aus nullWörtern, denn es gibt sie gar nicht. Aber man verglich sie mit dem Textaus 270 Wörtern der Zehn Gebote oder der amerikanischenUnabhängigkeitserklärung mit 300 Wörtern.
Betrachten wir die Sache einmal aus der psychologisch-neurologischenSicht. Der Mensch verfügt über gewisse Stimmungsreflektoren im Gehirn,den so genannten Spiegelneuronen. Das sind Rezeptoren, die uns auchautomatisch veranlassen zu gähnen, wenn unser Gegenüber damit anfängt.Über diese empathischen Gebilde saugen wir Gerüchte, Panik und Ängsteauf: Da rast z.B. die Panik vor der Pandemie der Schweinegrippe wie einTsunami um die Welt und brandet gegen unser Emotionszentrum. Fakt istaber: Nachweislich forderte diese in Gang gesetzte Massenparanoia,fünfzigmal weniger Todesopfer als die jährliche „Normal-Gippe”.
Diese Art von Gerüchten sind unberechenbarer und mutationsfähigerals ein Virus und oftmals immun gegen Verstand und Wahrheit. Es istganz einfach so, dass negative Gefühle wie Angst, Wut und Hass sichelfmal schneller verbreiten als positive wie Freude und Vertrauen. DerMensch ist einfach empfänglicher für das Negative. Ich behaupte sogar:eine Zeitung mit nur positiven, unspektakulären Stories hätteheutzutage fast keinen Marktanteil. Betrachten Sie doch einmal dieSchlagzeilen in den Printmedien. Emotional aufgeladene Wörter undParolen aktivieren das tiefste Gefühlszentrum und dämpfen die Zonen desVerstandes. Dieser Medienschutt ist angereichert durch bildbearbeiteteFotos. Es gibt ja kaum noch naturbelassene Bilder. Und, ein Mausklickgenügt, und schon verbreitet sich ein übles Gerücht weltweit über dasInternet rasend schnell. Heutzutage leisten sich Konzerne hochbezahlteGerüchtemacher, die Desinformationen und Negativschlagzeilen über dieKonkurrenten lancieren. Das ist üblich geworden. Gerüchte sind oftfaustdicke Lügenruten mit Widerhaken. Nicht umsonst sagt der Volksmund„Aus einem Körnchen Wahrheit bäckt die Lüge einen Laib Brot”.
Bestens inszeniert, können dunkle Kräfte in bestimmtenGehirnregionen ein ganzes Volk sogar kriegsreif machen. Ein Beispiel:1990 berichtete die kuwaitische Krankenschwester Nayirah, irakischeSoldaten hätten kuwaitische Säuglinge im Krankenhaus brutal ausBrutkästen geworfen. Diese, wie sich später herausstellte, infame Lügeder Zeugin vor dem Menschenrechtsausschuß, gereichte Bush Senior späterfür einen Krieg gegen den Irak. Bleibt anzumerken, dass die angeblicheKrankenschwester tatsächlich die Tochter des kuwaitischen Botschaftersin Washington war. Es sind die Erfolge mit lancierten Gerüchten, dieeinige US-Administrationen so sicher machten, Gerüchte mit „unterlegtenTodesopfern” als probate, psychologische Waffe einzusetzen.
Denken Sie nur an Pearl Harbor oder an den 11. September. DieGerüchtedrehscheibe um angezettelte Kriege dreht sich immer schneller.Irak war der Krieg von gestern, Afghanistan ist der Krieg von heute,Jemen ist der Krieg von morgen. Verbreitet ein Staat gezielt Gerüchte,so ist das Propaganda. In der Hochburg des Gerüchteepizentrums geht esum höhere Weihen. Das CIA-Propaganda-Instrument über die bezahlteTerrororganisation Al-Kaida hat wieder zugeschlagen: Der„Unterhosenbomber”, der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab, ein„synthetischer Terrorist”, wurde ausgewählt, um die nächsteamerikanische Intervention im Jemen zu rechtfertigen. In Wirklichkeitgeht es hier um einen strategischen Punkt am Golf von Aden, um dieKontrolle der wichtigen Tankerroute, dem Roten Meer und Zugang zumSuezkanal.
Wichtiger ist es für Sie als skeptischer und kritischer Bürger, einedubiose oder scheinwahre Nachricht zu hinterfragen. Cui bono! Machenwir uns beizeiten kundig, lassen wir uns nicht hinters Licht führen,vor allem ist größte Vorsicht geboten bei den Lügenfürsten der Politik.Dazu zählt auch das Lügenmärchen, die Regierung würde heuer keineSteuern erhöhen – und das bei einer Neuverschuldung von 100 Milliarden!Seinen wir auf der Hut, denn im Dunkeln des Halbwissens gedeiht dasGerücht.