Umfrage: Deutsche wollen neue Wirtschaftsordnung. Zwei von drei Befragten misstrauen demnach bei der Lösung der Probleme den Selbstheilungskräften der Märkte. Das Volk sei gar nicht so stark an kurzfristigen Zielen interessiert, „wie man gemeinhin annimmt. Nachhaltigkeit, Umwelt und Soziales liegt vielen Bürgern mehr am Herzen, als Politiker glauben“.
Acht von zehn Bundesbürgern wünschen sich unter dem Eindruck der europaweiten Krise eine neue Wirtschaftsordnung. Sie soll vor allem den Umweltschutz stärken und den sozialen Ausgleich besser berücksichtigen. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, die der ZEIT exklusiv vorliegt. Zwei von drei Befragten misstrauen demnach bei der Lösung der Probleme den Selbstheilungskräften der Märkte. Das Volk sei gar nicht so stark an kurzfristigen Zielen interessiert, „wie man gemeinhin annimmt. Nachhaltigkeit, Umwelt und Soziales liegt vielen Bürgern mehr am Herzen, als Politiker glauben“, erklärt Aart De Geus, der Leiter der Bertelsmann Stiftung.
Dass die von der Eurokrise ausgelösten Sorgen der Deutschen inzwischen wieder durch andere Ängste verdrängt werden, belegen auch bislang unveröffentlichte Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) des Wirtschaftsforschungsinstituts DIW. Während sich 2009 noch 49 Prozent der Bürger vor instabilen Märkten fürchteten, waren es im vergangenen Jahr nur noch 30 Prozent. „Man darf nicht vergessen, dass die breite Bevölkerung sich seit einigen Jahren an die Krise gewöhnt hat, und auch die hohe Erwartung an stabile Finanzmärkte gesunken ist“, sagte Jürgen Schupp, Leiter der SOEP-Forschergruppe.
Uneins sind sich die Bundesbürger hingegen, wie der beste Weg aus der aktuellen Krise in Europa aussehen könnte. In der Emnid-Umfrage plädieren 46 Prozent der Deutschen für Wachstumspolitik, 44 Prozent für strikte staatliche Sparkurse.
Grundsätzlich hält zwar die Mehrheit der Deutschen Wirtschaftswachstum für wichtig. Gegenüber einer Befragung im Jahr 2010 ging allerdings der Anteil derjenigen, die es als „sehr wichtig“ für die Lebensqualität in der Gesellschaft einschätzen um 14 Prozentpunkte zurück. Zudem glauben zwei Drittel der Befragten nicht mehr daran, dass Wirtschaftswachstum die eigene Lebensqualität steigere.
In einer Rangfolge der persönlich wichtigen Dinge stehen für die Befragten zunehmend postmaterielle Ziele oben: „Gesundheit“ liegt auf dem Spitzenplatz, gefolgt von „Zufriedenheit mit der persönlichen Lebenssituation“ und dem „Schutz der Umwelt“. Erst als Letztes wünschen sich die Deutschen „Geld und Besitz zu sichern und zu mehren“.