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Kommunen versenken 500 Mio. Euro bei dubioser Pleitebank

Weil sie Minuszinsen sparen wollten legten deutsche Kämmerer Steuergelder bei der britisch/australischen Greensill Bank an. Die ist jetzt pleite und das Geld ist weg.

 

von Theodor Reinter

Begreiflicherweise steht bei der Pleite der dubiosen britisch/australischen Greensill Bank die Mittelanlage von deutschen Kommunen in der hiesigen Berichterstattung im Vordergrund. Düsseldorfs Nachbarkommune Monheim kann seine beim deutschen Ableger angelegten 38 Millionen Euro wohl ganz oder zumindest zum größten Teil abschreiben.

Insgesamt sollen 50 deutsche oberschlaue Kämmerer bei der Bremer Bank Geld angelegt haben. Kundeneinlagen in Höhe von einer halben Milliarde gelten als nicht abgesichert, insgesamt soll es um ein wackelndes Volumen von 3,6 Milliarden Euro gehen.

Die Finanzaufsicht Bafin hat der deutschen Greensill-Tochter die Geschäftstätigkeit untersagt. Zugleich ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung und Betrug.

Ein wenig außerhalb des Blickfelds blieb bisher, dass auch der Thyssenkrupp-Konzern um ein Haar ins Umfeld des Skandals geraten wäre.

Bis vor gar nicht so langer Zeit spielte nämlich die dortige Damenriege um die derzeitige Vorstandchefin Martina Merz mit dem Gedanken, die Stahlsparte an den indisch/englischen Käufer Liberty Steel loszuschlagen. „Die Vorstellungen über Unternehmenswert und Struktur der Transaktion lagen am Ende doch weit auseinander“, erklärte Finanzvorstand Klaus Keysberg dann plötzlich vor drei Wochen. Der Deal war geplatzt.

Dabei hatte es lange Zeit eher zuversichtliche Berichte über die Kaufabsichten von Liberty-Gründer Sanjeev Gupta gegeben. Auch NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bezeichnet das Übernahmeangebot als „brauchbare Diskussionsgrundlage“.

Die beiden Stahlkocher hätten zusammen den zweitgrößten Branchenriesen in Europa hinter ArcelorMittal Europe geschmiedet. Legte die Begründung für das Abwinken von Thyssenkrupp nahe, dass es am Preis gescheitert sei, kann man nun einen ganz anderen Verdacht hegen.

Enger Finanzpartner von Guptas Liberty Steel ist nämlich Lex Greensill. Der Australier hatte sich von einer dortigen Farm über das Londoner Investmentbanking bis in höchste Finanzsphären emporgearbeitet. Dann gründete er den Finanzierer Greensill Capital. Eigentlich ist seine Gesellschaft auf die Finanzierung von Lieferketten spezialisiert.

Beim Großkunden Liberty aber war das Geschäft etwas anders: liefert Gupta Stahl an einen Kunden, erhält er den Rechnungsbetrag meiste erst am Ende der Zahlungsfrist. Die zeitliche Lücke finanziert Greensill Capital vor und bekommt dann das Geld vom Stahlkunden wieder.

Klar, dass dabei eine Marge fällig wird. Die Forderungen an Gupta werden in Anleihen gepackt, „in die Fonds investieren und so Greensill mit Kapital versorgen, das wieder bei Gupta landet“, so beschreibt die schweizerische Tageszeitung NZZ das Verfahren.

Als der Kapitalbedarf von Gupta fast unstillbar immer größer wurde, wuchs auch das Risiko für Greensill. Schon 2018 geriet die Schweizer Fondsgesellschaft GAM in die Krise, als Zweifel an ihren Investitionen bei Greensill aufkamen. Ein GAM-Fonds über 12 Milliarden Dollar wurde gesperrt. Doch ging das Spiel weiter, vermutlich konnte auch keiner der Beteiligten mehr aufhören.

Im Sommer 2020 begann das Modell immer mehr zu harzen. Eine japanische Versicherung weigerte sich nun, Greensills Finanzgeschäfte weiter abzusichern und kündigte per März 2021 entsprechende Kontrakte.

Greensill wollte vor einem australischen Gericht die weitere Absicherung einklagen, verlor jedoch kürzlich. Nun brach der Kreislauf zusammen. Credit Suisse fror Fonds im Volumen von 10 Milliarden Dollar ein, die bei Greensill Capital investierten.

Als die Muttergesellschaft Anfang März in Australien Insolvenzantrag stellte, wurde das Debakel endgültig offenbar. Das ist natürlich auch für Guptas Liberty unschön, die bei Greensill laut „Sunday Times“ immerhin drei Milliarden Dollar finanziert. Auch die Bremer Greensill Bank soll von ihren vier Milliarden Euro Bilanzsumme etwa zwei Drittel im intransparenten Gupta-Imperium stecken haben.  

Vor all diesem Hintergrund erscheint nun auch nicht ausgeschlossen, dass Gupta sich an die Thyssenkrupp-Stahlsparte in der Hoffnung herangepirscht hat, damit an Finanzmittel zu kommen oder zumindest seine Bonität zu verbessern.

Sehr großzügig ließ sich Gupta im Hinblick auf Beschäftigungszusagen und Umstellung auf „Grünen Stahl“ vernehmen, vielleicht, um damit die Zustimmung der im Stahlreich starken Gewerkschaft zu „erkaufen“. Und denkbar, dass im Verlaufe der Verhandlungen die wackeligen Hintergründe für Thyssenkrupp immer offenkundiger wurden. Und nicht mehr realistisch erschien, so einen Deal Gewerkschaft, Politik und Öffentlichkeit erfolgreich vorzustellen. 

Ich bin mir relativ sicher, die Hintergründe werden mit etwas Verzögerung noch besser ausgeleuchtet werden. Ich wollte Ihnen da nur einige Anhaltspunkte vorab liefern.

Übrigens: die Bremer Greensill Bank hatte unter dem Stichwort „Einlagensicherungsfonds“ Großkunden, wie etwa die ansonsten erfolgsverwöhnte Kommune Monheim, bisher der größte bekannte Einzelfall, sogar auf Risiken hingewiesen: „Seit dem 1. Oktober 2017 sind Einlagen von professionellen Anlegern  (Bund, Ländern und Kommunen sowie bankähnliche Kunden) nicht mehr durch den Einlagensicherungsfonds geschützt.“

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