„In the long run we are all dead“ ist zum geflügelten Wort an den Finanzmärkten geworden. Und es trifft nicht nur auf volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu, sondern auch auf die ganz persönliche Geldanlage.
von Roland Klaus
Fast jeder Börsianer kennt den berühmten Spruch des Volkswirtschaftlers John Maynard Keynes. Angesprochen darauf, ob eine zu stark steigende Geldmenge nicht Inflation bewirke, sagte er sinngemäß: Das mag langfristig sein. Aber die langfristige Betrachtung ist nicht immer ein guter Ratgeber, wenn es um die Gegenwart gehe. Denn langfristig sind wir alle tot.
Dieses „In the long run we are all dead“ ist zum geflügelten Wort an den Finanzmärkten geworden. Und es trifft nicht nur auf volkswirtschaftliche Zusammenhänge zu, sondern auch auf die ganz persönliche Geldanlage. Wir sollten ihn uns deshalb immer mal wieder in Erinnerung rufen. Insbesondere dann, wenn wir drauf und dran sind, uns in eine ganz bestimmte Aktie oder in eine Geldanlage zu verlieben. Das zeigt eine Geschichte, an die ich aus aktuellem Anlass denken muss.
Der legendäre Investor, Journalist, Verleger und Politiker Bolko Hoffmann kaufte für die Effecten-Spiegel AG ab 2003 Ariba-Aktien. Erst kleine Positionen, dann immer mehr. Schließlich so viel, dass Ariba zur größten Position in seiner nicht ganz kleinen Beteiligungs-Gesellschaft wurde. Das Unternehmen sei ein interessanter Turnaround-Kandidat, hieß es damals auch im zugehörigen Anlegermagazin. Die Technologie sei hervorragend, Ariba konkurriere auf Augenhöhe mit Oracle und SAP. Ob er damals auf eine Übernahme spekulierte, ist mir nicht bekannt. Der Bestand wurde immer weiter aufgestockt. Einige sahen ihn schon in der "Ariba-Falle". Im Schnitt dürfte Hoffmann etwa 10 Dollar je Aktie gezahlt haben.
Die Positionen wurden zwischenzeitlich gedreht, mal wurde verkauft, dann wieder gekauft, grundsätzlich blieb der Effecten-Spiegel Ariba aber über Jahre treu. Bolko Hoffmann starb im August 2007, ohne mit Ariba viel Geld verdient zu haben. Ein Bericht über die Hauptversammlung der Effecten Spiegel AG lässt den Schluss zu, dass Gewinne und Verluste sich in etwa die Waage gehalten haben. Dort heißt es, dass "frühere Verluste mit späteren Gewinnen ausgeglichen wurden". Die Aktie stand damals bei rund 10 US-Dollar.
In weiteren Berichten über die Hauptversammlungen der Effecten-Spiegel AG lässt sich in etwa nachvollziehen, wie es nach dem Tod Hoffmanns mit der Ariba-Beteiligung weiterging. Hoffmanns Nachfolgerin, Marlies Weidtmann, reduzierte die Position, bevor sie sie komplett verkaufte. Im Bericht über die Hauptversammlung 2011 erfährt der Leser, dass die Position in Ariba - "eine der ältesten Effecten-Spiegel-Beteiligungen" - komplett verkauft wurde. Je nachdem wann genau die letzten Stücke abgegeben wurde, dürfte der Erlös zwischen 15 und 30 US-Dollar gelegen haben. „In the long run“ hatte der Effecten-Spiegel also doch etwas Gewinn mit Ariba gemacht. Hätte man noch ein einziges Jahr länger gewartet, wäre dieser jedoch um ein Vielfaches höher ausgefallen. Vor wenigen Tagen legte SAP ein Übernahmeangebot für Ariba vor. Geboten werden 45 US-Dollar je Aktie. Einige Analysten bezeichnen das Angebot als günstig und erwarten, dass es zu einem Bieterwettkampf kommen könnte.
Übrigens bekommt der viel zu früh verstorbene Hoffmann in diesen Tagen noch in einem anderen Punkt recht: Mit seiner Partei "Pro DM" wetterte er seinerzeit gegen die Einführung des Euro. In ganzseitigen Anzeigen warnte er vor „südeuropäischen Schwachstaaten“, die die Deutschen zum „Sozialfall“ machen würden. Einiges von dem, wovor Hoffmann warnte, ist bereits eingetreten. Anderes könnte noch kommen. Es sieht so aus, als habe er nicht nur in Sachen Ariba grundsätzlich richtig gelegen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.