Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) hat seine Partei aufgefordert, den stellvertretenden Parteivorsitzenden Wolfgang Kubicki in die Schranken zu weisen. Anlass ist Kubickis Forderung, die Ostseepipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. "Ich halte die Äußerungen für verantwortungslos", sagte Baum dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben).
"Herr Kubicki fällt der deutschen Politik in den Rücken und strapaziert das Vertrauen zu unseren westlichen Freunden. Die Partei sollte sich seine ständigen Alleingänge nicht mehr bieten lassen." Dessen Kampagne gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht habe der Partei bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen geschadet. Zudem habe Kubickis eigener Landesverband die letzte Landtagswahl in Schleswig-Holstein verloren. Baum mahnte: "Er sollte sich jetzt wirklich zurückhalten. Schluss mit den effekthascherischen Alleingängen!"
Unterstützung bekam Kubicki hingegen vom thüringischen FDP-Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich. "Ich begrüße den Denkanstoß von Wolfgang Kubicki", sagte er dem RND. Die Forderung Nord Stream 2 zu öffnen, löse "unser Versorgungsproblem" aber "allein nicht". Nötig sei zudem die Laufzeitverlängerung der drei verbliebenen Atomkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2, die Reduzierung der Verstromung von Gas sowie die Prüfung, ob eigene Gasvorkommen mit Hilfe von Fracking wirksam genutzt werden könnten. Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck und die Grünen blockierten dies "aus ideologischer Verbohrtheit". Kemmerich war im Februar 2020 in die Kritik geraten, weil er sich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten in Erfurt hatte wählen lassen. Kubicki sagte damals: "Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich. Ein Kandidat der demokratischen Mitte hat gesiegt." Kurz darauf trat Kemmerich zurück. Kubickis Forderung, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, hatte am Freitag innerhalb wie außerhalb der Partei heftigen Unmut ausgelöst. Der FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner nannte sie "falsch und abwegig". Zustimmung bekam Kubicki hingegen aus Teilen der Linken und von der AfD.
Foto: Wolfgang Kubicki, über dts Nachrichtenagentur