Zwillingsschwester der toten Berliner Radfahrerin bittet Aktivisten der »Letzten Generation« darum, ihre Methoden zu überdenken
Die Zwillingsschwester der toten Berliner Radfahrerin fordert im Gespräch mit dem SPIEGEL die Aktivistinnen und Aktivisten der »Letzten Generation« dazu auf, ihre Protestmethoden zu überdenken: »Ich glaube, ich würde Ihnen einfach gerne das, was ich erlebt habe, erzählen, und ihnen dann gerne die Chance geben, sich einmal in diese Hölle hineinzuversetzen. Um zu überdenken, ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen, ohne dass andere Menschen möglicherweise zu Schaden kommen«, sagte die Schwester der Toten, Anja Umann, dem SPIEGEL. Die Tote heißt Sandra Umann.
»Meine Schwester und ich teilen die Ziele der Bewegung zu 100 Prozent«, sagte Umann dem SPIEGEL weiter. Sie selbst gründete mit ihrer Schwester ein veganes, nachhaltiges Modelabel, sie besitze kein Auto und fahre viel Fahrrad in Berlin. Es verletze sie aber sehr, wie »wie ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen, die sich unter Umständen selbst für Umweltschutz und andere Menschen einsetzen«.
Auch die extremen Forderungen nach Konsequenzen aus der Politik kritisiert Umann. Auf die Aussage von Alexander Dobrindt (CSU) angesprochen, der die Aktivisten mit der RAF in Verbindung brachte, und die Präventivhaft für einige Aktivisten in Bayern, sagte Umann: »Ich habe den Eindruck, da reagiert Drastik auf Drastik – da kommt etwas Extremes auf, von dem ich nicht sicher bin, ob ich das so unterstütze. Ich bin jemand, der den sanfteren Mittelweg und ein Miteinander sucht, ohne Fronten zu verhärten, um Probleme zu lösen.«
Wie genau der Unfall geschah, ist noch unklar. Die 44-jährige Sandra Umann war am Montagmorgen auf dem Weg zur Arbeit von einem Betonmischer überfahren worden. Anja Umann hatte ihr noch die Tür geöffnet und gesagt: »Fahr bitte vorsichtig, ich freue mich auf später.« Im Gespräch schildert Umann die letzten Tage ihrer Schwester im Krankenhaus, wie sie sich von ihr verabschiedet hat und wie intensiv die Beziehung zu ihrer eineiigen Zwillingsschwester war. »Sie ist meine Welt gewesen, so wie ich ihre Welt war.« Sandra Umann, sagt Anja Umann, war Autistin und habe ihr Leben lang an Depressionen gelitten. Sie arbeitete in einer Klinik, in der sie anderen Depressiven dabei half, mit der Krankheit besser umgehen zu können.