Der Euro entfaltet mal wieder seine zerstörerische Kraft. Die zerrütteten Verhältnisse in Rom gehen auf das Konto der Gemeinschaftswährung. An den Börsen stürzen Banken und Euro. Eine neue Finanzkrise droht.
Von Sven Weisenhaus
Nach der gescheiterten Regierungsbildung droht Italien im politischen Chaos zu versinken. Und es wird vermutet, dass dieses Chaos noch über Monate andauern wird. Zunächst reagierte die Börse gestern zum Start in die Woche jedoch positiv, da eine Euro-Krise oder gar ein Euro-Austritt weniger wahrscheinlich erschien.
Doch dann setzte sich relativ schnell die Erkenntnis durch, dass selbst nach Neuwahlen wieder eine ähnliche Hängepartie wie nach der Wahl vom 4. März drohen könnte. Und so verloren die Anleger mehr und mehr die Hoffnung auf Stabilität.
Italien braucht dringend das Vertrauen der Investoren
Dabei braucht Italien derzeit dringend das Vertrauen der Investoren. Denn von den 2.300 Milliarden Euro italienischer Staatsschulden (132 % des Bruttoinlandsprodukts) sind 580 Milliarden in der Hand ausländischer Investoren. Um andere Investoren anzuziehen oder die bisherigen bei Laune zu halten, müsste Italien höhere Zinsen zahlen.
Laut dem Vorstandsvorsitzenden der Banca Intesa, Carlo Massina, kostet Rom jedoch jeder Prozentpunkt höhere Zinsausgaben in den nächsten zwei Jahren 5,21 Milliarden Euro zusätzlich. Und die Turbulenzen der vergangenen Tage hätten Italien schon einen Vermögensverlust von etwa 600 Milliarden Euro beigefügt, so Massina.
Sollten sich angesichts der politischen Querelen weitere Anleger von Italien abwenden, könnte das Land massive Probleme beim Schuldendienst bekommen. Damit würde wiederum die Gefahr einer neuen Euro-Krise steigen. Und eben diese Sorge wurde an den Märkte deutlich spürbar. Gestern erwischte es besonders den Bankensektor mit Deutsche Bank und Commerzbank. Auch der Euro ging weiter in die Grütze.
Auswirkungen auf den DAX noch relativ moderat
Dabei waren die Auswirkungen auch auf die Aktienkurse deutlich, jedoch noch nicht besorgniserregend. Nach dem positiven Wochenstart gab der DAX zum Beispiel seine Gewinne zwar wieder ab und drehte sogar in die Verlustzone, doch bislang blieb er dabei noch innerhalb des aktuellen Rechtecks oberhalb von 12.590 Punkten (siehe grüner Pfeil im Chart).
Bearishe Konsequenzen hatte das für den deutschen Leitindex aber dennoch. Denn das bullishe Elliott-Wellen-Szenario im kurzfristigen Bereich (siehe grüne Ziffern im folgenden Chart) ist durch das heutige Tagestief von 12.608,70 Punkten hinfällig. Damit wurde nämlich das Hoch der vermeintlichen Welle 1 bei 12.640,25 Zählern unterschritten (roter Kreis), womit es eine unerlaubte Überschneidung in den Wellen 1 und 4 gab.
Aus langfristiger Sicht ist dies jedoch ebenfalls noch nicht dramatisch. Denn die übergeordneten Wellenzählungen (gelb, schwarz, blau) sind noch intakt. Das würde sich erst ändern, wenn das Tief der gelben Welle C bzw. der schwarzen Welle 4 unterschritten wird. Das wäre aber erst bei 11.726,26 Punkten der Fall.
Panikartige Kursbewegungen am Anleihemarkt
Deutlich kritischer zu werten sind daher weiterhin die Auswirkungen auf den Anleihemarkt. Der Bund-Future stieg zum Beispiel fahnenstangenartig weiter an und erreichte dabei im Eiltempo neue Allzeithochs.
Gleichzeitig stieg die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen mit bis zu 2,9 % auf den höchsten Stand seit fast vier Jahren. Zweijährige italienische Staatsanleihen rentierten zeitweise um mehr als einen ganzen Prozentpunkt höher als am Vortag. Für den Anleihemarkt ist das eine dramatische Bewegung, die in ihrer Intensität an den Höhepunkt der Eurokrise 2011/2012 erinnert.
Marktberuhigung abwarten
Die Flucht in sichere Häfen, wie deutsche Staatsanleihen, hält also an. Und das Trading auf die Seitwärtsrange im Bund-Future ist damit erst einmal Geschichte. Doch ein Grund zur Panik ist das nicht. Es gilt nun vielmehr, einfach eine Beruhigung der Situation abzuwarten. Es kann nicht schaden, sich die weitere Entwicklung einige Tage von der Seitenlinie aus anzusehen.
Und auf Sicht von Wochen und Monaten gehe ich derzeit auch noch davon aus, dass auch dieses Mal die politischen Börsen kurze Beine haben und es bald wieder zu einer Normalisierung kommt. Dann werden sich die Anleger an den Aktienmärkten wieder auf die Unternehmensgewinne und an den Anleihemärkten auf die geldpolitischen Entscheidungen zurückbesinnen.
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